Targeted advertising und die globale Gefahr vom Verlust von Datenschutz, Meinungsfreiheit, sozialer und gesellschaftlicher Integrität

Targeted Advertising Online Marketing
Das was wir im Internet, speziell auf Social Media-Plattformen, machen bleibt nicht unerkannt und Algorythmen schieben uns Aufgrund unseres interaktiven Verhaltens in Schubladen, die uns irgendwann zum Verhängnis werden können – spätestens dann, wenn Datenschutz zum „Wohl und Optimierung der Gesellschaft“ gänzlich an Bedeutung verliert ….

Manche mögen diesen Artikel als „Schwarzmalerei“ abtun, aber ich bin als Online Marketer, Webdesigner und SEO-Spezialist seit nunmehr 20 Jahren beruflich in dieser Branche tätig. Insofern habe ich Einblicke und Erfahrungen in dieser Zeit sammeln können, die mein Verhalten auf Social Media-Plattformen maßgeblich immer mehr beeinflussen. Es scheint mir, dass für manche Personen in meinem digitalen Umfeld gewisse Handlungen nicht verständlich oder nachvollziehbar sind. Dieser Umstand ist wohl die größte Motivation / Intention für diesen Artikel. Er soll Bewusstsein schaffen für einen sorgsamen Umgang mit persönlich erstellten Content, speziell auf Plattformen, die man selbst nicht unter Kontrolle hat.

Der rechtliche Freibrief für Social Media-Plattformen, keine Verantwortung tragen zu müssen

Die globalen Social Media-Giganten haben sich das sehr clever eingerichtet. Sie verdienen Unsummen von Geld durch die kostenlose Nutzung von persönlichen Informationen der Weltbevölkerung und müssen bei Problemen in diesem Zusammenhang weitreichend keine Haftung dafür in Kauf nehmen. Der Ursprung für diesen Umstand liegt in einem kurzen Gesetztestext des Section 230 of the Communications Decency Act:

No provider or user of an interactive computer service shall be treated as the publisher or speaker of any information provided by another information content provider.

Ins Deutsche übersetzt bedeutet dies: „Kein Anbieter oder Benutzer eines interaktiven Computerdienstes wird als Herausgeber oder Sprecher von Informationen behandelt, die von einem anderen Anbieter von Informationsinhalten bereitgestellt werden.“ Sinngemäß zieht dies Social Media-Unternehmen aus der Schußlinie in Bezug auf das Veröffentlichen von bedenklichen Inhalten auf deren Plattformen. Der jeweilige User / Urheber des Inhaltes wird zur Verantwortung gezogen. Ohne diesen Zweizeiler würde es Social Media in der heutigen dynamischen und emotionalen Form nicht geben – eine offene Türe für Schattenseiten von digitaler Meinungsfreiheit, die letztendlich genau zum Gegenteil führt, weil das sichere Gefühl von Meinungsfreiheit verloren geht?

Was ist Targeted advertising?

Kurz zusammengefasst, bedeutet „Targeted advertising“ das Sammeln von Informationen, Analysieren dieser Informationen, Planung und Umsetzung von Strategien auf Grundlage der Analyse und letzendlich der gezielten Schaltung von Werbung. Hier spricht so mancher auch von personalisierter Werbung, was aus meiner Sicht nicht ganz der Realität entspricht. Denn oftmals kommt diese Art der Werbung auch zum Einsatz, selbst wenn die „anvisierte“ Person sich in keinster Weise bewusst ist, dass sie sich im Fadenkreuz der Social Media Giganten befindet. Will man diesen „Fluch“ loswerden, so ist das meist nur sehr schwierig, unzugänglich und im herkömlichen Sinne nur durch Löschung seiner Social Media-Identität möglich. Und selbst dann können wir uns nicht sicher sein, ob unsere Daten auch wirklich gelöscht sind.

Zwei einfache Beispiele für Facebook:

Jeder Fanpage-Betreiber kann eine Kopie seiner Fanpage auf Facebook herunterladen. Wenn das wir können, dann können das grundsätzlich auch andere Personen, wenngleich Facebook selbst, auch nach unserer Löschung.
Ein Indiz für den Datenverbleib könnte auch diese augenscheinlich so benutzerfreundliche Funktion von Facebook sein.

Der Silicon Valley ist die Geburtsstätte für den globalen Wandel unserer Gesellschaft. Von hier aus wid unter dem vermeintlichen Deckmantel des (technologischen!) Fortschritts über unser künftiges Leben entschieden. Gedanken über mögliche Schattenseiten der Automatisierung macht man sich hier wohl kaum. Die mentale Grundeinstellung in Silicon Valley (Heimat von Google, Facebook, Apple, Airbnb, Uber, Twitter) lässt wohl kaum kritischen Diskussionsfreiraum zu, welche die soziale und gesellschaftlich so wertvolle Rolle von digitalen Innovationen in Frage stellt. Selbst schockierende Zwischenfälle, ausgelöst durch den globalen Fahrdienstleister UBER, wie die Selbstmorde von Taxifahrern, die dadurch ihre Lebensgrundlage verloren haben, scheinen ein Umdenken in Silicon Valley nicht eingeleitet zu haben. Auch Airbnb, ein weltweit agierendes Wohnungsmiete-Vermittlungsunternehmen, hat durch seine massiven Eingriffe in die Branche und die Gesellschaft eine Fülle von Skandalen verursacht, für die der Online-Gigant aus San Francisco großteils nicht belangt werden kann. Fakt ist: eine Vielzahl an menschlichen Dramen ereignen sich tagtäglich durch den digitalen Fortschritt. Eines der beliebtesten Argumente von Verfechtern der digitalen Revolution lautet:

"Dort wo herkömmliche Jobs wegfallen, entstehen auch wieder neue und bessere Jobs durch den Fortschritt."

Ich bin nicht ganz der Meinung, dass dies stets zum Wohle der Menschen passiert. Meine Vermutung ist, dass der Kollateralschaden am Menschen zum Wohle innovativen Fortschritts sehr hoch ist und sich noch niemand wirklich darüber Gedanken gemacht hat, dies in Zahlen, Daten und Fakten zu sammeln / zu belegen. Das Ausmaß der Disruption in diesem gesellschaftlichen Bereich ist meiner Ansicht nach höchst bedenklich.

Disruption – Segen oder Fluch?

Disruption bedeutet soviel wie Zerstörung, Verdrängung und dergleichen. Dieses neudeutsche Wort leitet sich aus dem Englischen ab und steht in diesem Kontext für die Verdrängung „veralteter“ Arbeits- und Lebensweisen. Technologie-Giganten sehen Disruption sehr positiv, im Sinne von Fortschritt, Entwicklung und der Fähigkeit sich zu verändern. Anderen Menschen und insbesondere gefährdeten und betroffenen Personen, bereitet dies große Sorgen und Ängste. Durch Disruption verlieren diese Menschen ihre Jobs, ihre Existenzgrundlage. Sie sind gezwungen sich ebenfalls zu entwickeln um weiter eine Existenzberechtigung in der modernen Gesellschaft haben zu können, um den weiteren sozialen Abstieg zu vermeiden. Die Mächtigen wollen unbedingt den Fortschritt durchsetzen, dadurch Betroffene leiden darunter. Was ist nun sozial, menschlich und gerecht – bist du nun für Fortschritt oder doch eher dagegen?

Sollte Disruption (allein dieser Begriff steht schon für etwas Destruktives) nicht nur dann zur Anwendung kommen, wenn sicher gestellt ist, dass keine Lebewesen darunter leiden müssen? Sollte die momentane Situation nicht Grund genug dafür sein, das soziale Verständnis von Social Media-Giganten zu hinterfragen und nicht blind zu vertrauen?

Targeted advertising Varianten

Drei High-Tech-Giganten aus Silicon Valley haben sich in besonderer Art und Weise dem Targeted advertising verschrieben, wenngleich jeder in einem anderen Kontext:

  • Google fokussiert sich auf Nutzerinformationen in Bezug auf „Was Menschen suchen“
  • Facebook lenkt hauptsächlich sein Interesse darauf, was Menschen wollen und welche soziale und gesellschaftliche Gesinnung sich in jedem Menschen verbirgt
  • Amazon will möglichst genau wissen was Menschen kaufen

In Summe ergibt dieses Informations-Potential eines Menschen, der regelmäßig googelt, täglich auf Facebook Likes vergibt und immer wieder auf Amazon einkauft, ein sehr umfassendes Profil jener Person. Durch die Datenanalyse aus den gesammelten Informationen können Rückschlüsse über unsere intimsten persönlichen Geheimnisse gezogen werden, und uns dementsprechend in eine gewisse Schublade schieben.

Was passiert mit uns, wenn diese Daten und Analyse-Ergebnisse im Sinne von Big Data über unser künftiges Leben entscheiden?

Wikipedia definiert Big Data so, dass dieser als Sammelbegriff für digitale Technologien verwendet wird, die in technischer Hinsicht für eine neue Ära digitaler Kommunikation und Verarbeitung, und in sozialer Hinsicht für einen gesellschaftlichen Umbruch, verantwortlich ist.

Angenommen die jahrelang über uns digital gesammelten Informationen werden in ihrer Summe von Regierungen (Finanzamt, Arbeitsmarktservice, …), Versicherungen (Lebens-, Kranken-, KFZ-Versicherungen, …), Banken, Sozialdienstleistern (Pensionsfürsorge, Alten- und Pfelgeheime, Krankenanstalten), Unternehmen und dessen Personalabteilungen, etc… dafür verwendet, unser Leben maßgeblich zu bestimmen / einzuschränken, natürlich zum Wohle der Allgemeinheit, gleich ob dies auch im Sinne des Individuums und dessen Wille ist.

Praktische Szenarien, die eine Rolle spielen könnten

Meinungsfreiheit ist heute schon lange kein unbedenklicher Aspekt unserer weltoffenen Gesellschaft. Seine Meinung kundzutun, kann ungeahnt schwerwiegende soziale Folgen mit sich bringen. Die unmittelbar augenscheinlichste und banalste Folge von gewissen persönlichen Meinungen ist der „klassische“ Shitstorm. Aber damit nicht genug, denn dies wird ebenfalls gespeichert und kann künftig unter Umständen dazu führen, seinen Traumjob nicht zu bekommen. Vielleicht können die zahlreichen Party-Fotos auf Facebook einmal dafür verantwortlich sein, dass wir höhere KFZ-Versicherungsbeiträge zahlen müssen. Der Kauf von gewalttätigen Videogames im Google Play Store könnte uns die Ausübung eines Jobs mit sozialer Verantwortung verwehren. Das Liken, Teilen und Kommentieren von politischen Inhalten könnte uns ebenfalls so einige Hürden in einer vermeintlich freien Marktwirtschaft in den Weg legen.

Sie wissen Dinge über uns, die wir selbst nicht einmal wissen

Insofern ist logisch, dass wir uns heute der Konsequenzen unseres so freizügigen Verhaltens im Internet nicht bewusst sind. Es werden von den wirklich Mächtigen dieser Welt Versprechen gegeben, die nicht gehalten werden können. Wir haben keine Garantie darauf zu vertrauen, dass mit unseren innersten und persönlichsten Werten, Gedanken und Gefühlen menschengerecht, sozial und verantwortungsbewusst umgegangen wird.

Wir haben Angst vor einem erneuten Holocaust? Wir machen uns Sorgen über ethnische Probleme dieser Welt und laufen dabei selbst Gefahr unser Recht auf ein freies, demokratisches Leben in sozialer Gerechtigkeit zu verlieren. Diese Gefahr steht über ethnischen Gruppierungen, denn diese Gefahr ist global und richtet sich gegen die gesamte Weltbevölkerung.

Vertrauen wir

Oder wir vertrauen auf die Versprechen von globalen Technologie-Unternehmen, dass sie wissen was richtig und falsch ist. Und wir vertrauen darauf, dass sie mit unserem Leben verantwortungsvoll umgehen. Das macht uns momentan das Leben um so viel bedenkenloser, ermöglicht uns ein Leben im „Hier und Jetzt“ ohne Angst und Panikmache vor der Zukunft.

Was kann man tun um genanntem Szenario vorzubeugen

Es gibt Möglichkeiten, die Vorteile von Social Media zu nutzen, sich nicht gänzlich auszuschliessen und dennoch aus der Schußlinie des Targeting zu nehmen:

  • Distanziere dich von polarisierendem Inhalt aus deinem Netzwerk (zB politische Postings, diskreminierender Inhalt, polemischer Content und dessen Erzeuger).
  • Sei achtsam bei Interaktionen, dessen Ursprung du selbst nicht kontrollieren kannst.
  • Gib dein Like (deine Zustimmung) nicht unbedingt nur rein aus Gefälligkeit, vorallem wenn du dir in Bezug auf den Inhalt nicht sicher bist.
  • Like und teile nur jene Inhalte zu denen du uneingeschränkt und in vollem Umfang aus Überzeugung stehst und deshalb du auch die volle Verantwortung dafür übernimmst.
  • Entferne Personen aus deinem Netzwerk, die negative, kompromitierende Kommentare und Reaktionen tätigen. Dies könnte dir auch indirekt schaden.
  • Umgib dich digital nur mit jenen Personen, die dir wohlgesonnen oder zumindest neutral gesinnt sind und denen du vertraust.
  • Befasse dich immer wieder einmal mit deinen Privatsphäre-Einstellungen und lasse nicht zu, dass andere Personen dich unmoderiert markieren können oder deine Pinnwand nutzen.
  • Lasse dich nicht durch vermeintlichen Gruppenzwang zu gewissen Meinungsäußerungen und gefälligen Gefällt mir-Angaben verleiten.

Schlusswort

In diesem Zusammenhang möchte ich klarstellen, dass ich kein genereller Feind dieser Entwicklung bin, denn dann hätte ich definitiv den falschen Job. Aber mir ist es wichtig, dass mit sensiblen persönlichen Daten kein Missbrauch betrieben wird und unsere Integrität als Menschen bewahrt bleibt. Technologischer Fortschritt und sinnvolle Innovationen, die unser Leben wirklich positiv beeinflussen, sind meiner Meinung nach höchst willkommen. Doch sollte hier keine Grenze überschritten werden, die so massiv und uneingeschränkt mit Höchstgeschwindigkeit unser aller Leben beeinflusst. Veränderung und Entwicklung ist gut, aber nicht auf Kosten von Lebewesen, denn das Leben von jedem einzelnen Lebewesen, und dessen Bedürfnisse, sollte vor Innovation stehen. Im Fall von Social Media bin ich fest davon überzeugt, dass hier bereits vor einigen Jahren diese kritische Grenze überschritten worden ist. Im Fall von Donald Trump’s Social Media-Kampagne, die ihn zum Sieg bei der Wahl zum US-Präsidenten maßgeblich unterstützt hat, wird deutlich wie unbeholfen selbst der Silicon Valley mit seinen Herausforderungen umgeht. Facebook & Co stehen in wesentlichen Grundsätzen der Trump-Ideologie kritisch gegenüber, und dennoch hat es Trump geschafft, sich durch die Möglichkeiten seiner Kritiker aus dem Silicon Valley zum mächtigsten Mann der Welt wählen zu lassen. Was hier genau passiert ist, wird in jenem Artikel der Presse über Facebook und Cambridge Analytica beschrieben …

… denn sie wissen nicht, was sie tun