Thema: Postwurfsendung in Österreich – wieviel macht Sinn und ab wann ist es zu viel? Stichwort: #postkastlmist

Ich erhalte regelmäßig Werbung mit der Post. Ich wohne in einem von 3,1 Mio. österreichischen Haushalten, die laut Post davon betroffen sind. Ja, ich könnte die Werbung einfach abbestellen und mich somit als ökologisch bewussten Menschen nennen und mich sogar nach dem Motto „aus den Augen aus dem Sinn“ mit diesem Thema nicht mehr beschäftigen. Aber ich habe mich in diesem Punkt bewusst für einen anderen Weg entschieden, der vielleicht nicht direkt der Umwelt hilft, aber indirekt hoffentlich ein Bewusstsein fördert, diese riesigen Mengen an Müll, die dadurch entstehen, einzudämmen.

Postwurfsendung Österreich
Wieviel Werbung in Papierform wird versendet und ist zumutbar?

Mein Selbsttest: 4,5 kg Werbung mit der Post alleine im Dezember 2019

Ich dachte, okay der Dezember wird wegen Weihnachten mit 4,5 kg Papiermüll sicherlich sehr stark sein. Verblüffend war dann das Ergebnis im Jänner, an welchem ich 4,2 kg Werbung mit der Post erhalten habe. Also gar nicht so viel Unterschied. „Na bummm!“, dachte ich mir: „Mehr als 4kg Papier pro Monat nur an mich, also nur an einen einzigen Haushalt. Wie viele Haushalte in Österreich betrifft das wohl?“ Ich recherchierte dazu ein wenig und wurde relativ schnell direkt auf der Website der Post fündig:

Post Werbung Anzahl Haushalte Österreich
Abbildung: Screenshot www.post.at / Stand: 4.2.2020

Bis zu 3,1 Mio. Haushalte in ganz Österreich

Ungeachtet was nun „Bis zu 3,1 Mio. Haushalte“ hier zu bedeuten haben. Die Grundlage meiner Recherche hier ist dann zumindest genauso verfälscht wie die Werbeaussage der Post über die Reichweite dieses Kanals. Ich gehe davon aus, dass mein durchschnittlicher Einpersonen-Haushalt genauso viel Werbung mit der Post erhält wie 3.100.000 andere Haushalte in Österreich auch. So viel zur Grundlage meiner folgenden Berechnung.

Rechenbeispiel: Wieviel kg Papier-Werbung werden in Österreich monatlich zugestellt?

Wenn ich ca. 4 kg (abgerundet) Werbung in Papierform monatlich in meinem Postkasten vorfinde, dann sind das nach meiner hier erwähnten Einschätzung bei 3,1 Mio. Haushalten in Österreich satte 12,4 Mio. Kilogramm an Papier, die (lt. Post „CO2 NEUTRAL ZUGESTELLT“ was auch immer daran CO2 NEUTRAL sein soll, so genau wird das ja nicht erklärt… * ) zugestellt werden und das pro Monat. Im Jahr sind das dann rund 148,8 Mio. Kilogramm an Werbung in Österreich, welche durch die Post nur an die Haushalte zugestellt werden. Habe ich mich eventuell verrechnet oder stimmt hier was nicht? Meiner Logik nach sollte das in etwa so passen. Also, angenommen das passt soweit: Wie geht es nun mit meiner Überlegung weiter?

* Erklärung der Post zu Thema „CO2 NEUTRAL ZUGESTELLT„:

Abbildung: Screenshot post.at / Stand: 4.2.2020
Ist das eine hinreichende Erklärung für eine CO2-neutrale Zustellung durch die Österreichische Post? Und wie umweltfreundlich ist die Produktion?

Postwurfsendungen bzw. Werbung in Papierform und der ökologische Abdruck

Jetzt wo sich „Gott und die Welt“ Gedanken um Mutter Erde macht, Thema: Klimawandel, frage ich mich natürlich auch, wie und wo man relativ einfach bewusster mit unseren Ressourcen umgehen kann. Da stelle ich logischerweise den Kosten (für die Umwelt) – Nutzen (für die Wirtschaft) Faktor auf die Probe.

Auf Kosten der Umwelt

Die Faustformel für meine nächste Berechnung findet ihre Grundlage in diesem Artikel: Wie viel Papier ist dies in Bäumen?. Also gehen wir davon aus, dass für 1kg Papier etwa 2,2kg Baum benötigt wird. Aus einer Fichte (leichtes Holz, 25 Meter hoch, Stamm-Durchmesser: 40cm) lassen sich etwa 670 kg Papier herstellen. Bei einem Holzbedarf für Postwurfsendungen in Österreich pro Jahr von 327.360.000 Kilogramm (richtig gerechnet?) sollten demnach 488.000 o.g. Fichten benötigt werden. Aber HALT – Was ist mit Recycling?

Nun wissen wir auch, dass Altpapier-Recycling eine wirklich tolle Sache ist, welche aber auch ihre Lücken aufweist und gerne Statistiken verschönert. Aus Altpapier können etwa maximal 70% der Inhaltsstoffe auch wirklich zur Weiterverarbeitung verwendet werden. Wenn man genau hinsieht, wird man feststellen, dass ein nicht unwesentlicher Anteil der 30 verbleibenden Prozent für den Sondermüll bestimmt sind. Gewisse Druckerfarben, Hochglanz, Plastik, etc.. sind hier nicht auszuschliessen.

Mein Rechenbeispiel setzt sich fort: Kalkuliere ich nun die 70% des wiederverwertbaren Materials in meine Berechnung, dann bleiben dennoch etwa 146.000 neue Fichten übrig (Übrigens: keine Ahnung aus welchen Baumarten das Papier für die Werbung wirklich gewonnen wird, das konnte ich nicht herausfinden) die alleine für Postwurfsendungen in Österreich statistisch jährich benötigt werden. Liege ich damit richtig?

Lt. OTS wird Papier in Österreich zu 79% recycelt

In einem Bericht von OTS wird Papier in Österreich zu 79% recyelt. Kann man diesem Artikel glauben schenken, dann scheint der Recycling-Quote in Österreich etwas höher zu liegen. Dennoch bleibt meiner Meinung nach unumstritten, dass immer wieder neues Holz der Papier-Produktion hinzugefügt werden muss – meine Meinung! Wenn da jemand etwas dazu oder dagegen belegen kann, dann bitte her damit!

Der Nutzen von Postwurfsendungen in Relation der Kosten, die dadurch der Umwelt entstehen

Der Nutzen von Postwurfsendungen steht außer Frage:

  • Postwurfsendungen werden nach wie vor wegen der Gutscheine und Aktionen von der Bevölkerung gewünscht. Es gibt anscheinend noch Menschen, die sich dem Internet verweigern.
  • Werbung in der Post schafft Arbeitsplätze oder sorgt für den Erhalt von Arbeitsplätzen. Ob die Menge an zugestelltem Papier mit der Anzahl der dadurch geschaffenen Arbeitsplätze korreliert, ist meiner Ansicht nach nicht bewiesen. Anders formuliert: Geht weniger Papierverbrauch auch ohne Verlust von Arbeitsplätzen? Ich denke: Ja, das geht. Frage: Will man das?

Ich will mit diesem Beitrag sinnvolle und nützliche Postwerbung keinesfalls abschaffen, aber ich finde, dass eine ökonomische und ökologische Grenze bereits überschritten ist. Wenn ich an dieser Stelle Bundeskanzler Sebastian Kurz zitieren darf: „Genug ist genug!“

Aus diesem Grund bin ich für eine Regulierung / Reduzierung der Postwurfsendungen auf ein vertretbares und zeitgemäßes Maß. Meine Ansätze dazu:

  • Maximal 1kg Papier pro Haushalt und Monat (- 75%)
  • Keine schädlichen nicht recyclebaren Materialen
  • Keine Plastik-Verpackungen
  • Reduzierung von DIN A4 auf DIN A5-Formate
  • Abschaffung von Mengen-Rabatten die das Konsumverhalten beeinflussen

Was man gegen die Reklamefult tun kann

Der ORF hat zur Reklameflut einen interessanten Beitrag veröffentlicht, in welchem die Belastung bei etwa 100 Kilogramm Papier pro Jahr und Haushalt geschätzt wird. Diese Berechnung übertrifft meine persönlichen Ergebnisse um mehr als das Doppelte. Zudem ärgerlich daran ist, dass es uns Konsumenten relativ „schwierig“ gemacht wird, selbst für sich aktiv etwas dagegen zu tun, wie der ORF-Beitrag beschreibt. Diese Art von Werbung ist eine ganz komische erzwungene Dienstleistung, die man bekommt, völlig egal ob man diese will oder nicht, und solange bis man selbst aktiv Maßnahmen ergreift um sich dieser Dienstleistung zu entledigen.

Stellen Sie sich vor, Sie bekommen ein täglich ein nicht bestelltes Paar Schuhe geliefert und müssen dieses bezahlen. Und Sie werden täglich neue Schuhe bekommen, so lange, bis Sie aktiv einschreiten, damit das aufhört. So ähnlich ist das mit der Postwurfsendung, nur dass Sie hier nicht mit Geld bezahlen, sondern:

  • Sie bezahlen mit Ihrer Zeit und Aufmerksamkeit
  • Sie bezahlen die Müllentsorgung (wir alle indirekt)
  • Sie bezahlen vielleicht auch immer wieder mit Ihren Nerven
  • Vielleicht bezahlen Sie auch noch in einer anderen Art und Weise (zB Konsumrausch-Verhalten um ja alle Aktionen und Gutscheine auszunutzen, etc..)

Postwurfsendungen beeinflussen direkt Ihr Konsumverhalten

Den psychologischen Einfluss von Postwurfsendungen kann man positiv oder negativ sehen. Es gibt Menschen, die sind Aufgrund beschränkter finanzieller Mittel sehr froh und dankbar, Geld beim Einkauf sparen zu können. Es gibt auch Schnäppchenjäger die es lieben, Aktionen und Rabatte möglichst flächendeckend auszunutzen. Aber es gibt auch Menschen, die das Einkaufen nicht als Erlebnis, sondern als Notwendigkeit sehen. Zu dieser Gruppe Menschen zähle ich. Ich kaufe das was ich wirklich brauche. Gut, es gibt gewisse Dinge die kaufe ich, weil ich es haben will, aber diese Dinge sind eher in der Minderheit. Der alltägliche Einkauf passiert Aufgrund eines echten Bedarfs (zB Nahrung) und das in so einer Menge, bei der ich mir sehr sicher bin, nichts davon irgendwann einmal wegschmeißen zu müssen.

Nun basieren Postwurfsendungen grundsätzlich nicht auf dem Prinzip von bedarfsdeckender Werbung, sondern eher auf einer bedarfsweckenden Ebene. Man schmökert sich durch die Flugblätter und fragt sich: „hhmmm.. das verbilligte Geschirr könnte ich brauchen, und diese Aktion „kauf 2 zahl 1″ bis Ende der Woche könnte ich auch noch schnell nutzen und dieses und jenes…“ und eigentlich hat man sich, ohne es zu bemerken, zu einem Konsum-Opfer entwickelt. Ohne den wirklichen Bedarf (vor dem Lesen der Flugblätter wussten Sie ja noch nichts von dem Angebot) sind Sie nun der Meinung dieses Geschirr zu benötigen. Oder anders formuliert: Jetzt wollen Sie es, weil es so genial billig ist!

Für Menschen wie mich ist dies keine Option. Vielmehr nervt es mich die Strategie des Konsumwahns wieder entlarvt zu haben. Sie sind der Meinung dass so etwas unser Wirtschaftsmotor ist? Dann kann ich Sie vielleicht davon überzeugen, dass dem nicht unbedingt so ist. Lieber bezahle ich für etwas, was ich wirklich brauche, in einer ausreichenden Menge etwas mehr Geld, als dass ich Geld für viel Billiges ausgebe, was wahrscheinlich sowieso bald im Müll landet. Dieser Ansatz wäre nicht nur ökologisch viel Nachhaltiger, sondern würde der Wirtschaft durch höhere Deckungsbeiträge auch weiterhelfen.

Fazit: Das Schnäppchen-Geschäft tut uns in ökologischer und ökonomischer Hinsicht nicht gut und Postwurfsendungen fördern diese Entwicklung nachhaltig in unserer Gesellschaft.

Wie sich die Post gegen Postwurfsendungskritiker zur Wehr setzt

Ein interessantes Suchergebnis auf google.at konnte ich unlängst ausfindig machen. Der Suchbegriff „keine werbung aufkleber kostenlos post“ zeigte mir als erstes Suchergebnis folgenden Eintrag:

keine werbung aufkleber kostenlos post

Nun, wenn Sie sich dieses Suchergebnis ansehen, was denken Sie?

Ich für meinen Teil nehme an, dass die Post mich hier darüber informiert, wie ich zu diesem „Bitte keine Werbung“-Aufkleber komme. Oder was denken Sie?

Die Wahrheit ist, dass die Post mit diesem Artikel: https://www.post.at/privat_das_flugblatt.php darüber informiert, wie toll und wichtig es ist, den Papiermüll auch weiterhin zu bekommen:

keine werbung aufkleber kostenlos post
Abbildung: Screenshot post.at / Stand: 4.2.2020

Clever gemacht von den Post-Online-Experten, oder etwa nicht?

Es scheint ja fast so, als handelt es sich hier um ein absichtlich manipuliertes Suchergebnis bei Google. Denn als SEO-versierte Person konnte ich in den Metadaten dieser Seite in keinster Weise auch nur einen Ansatz für die Relevanz des Suchbegriffes „keine werbung aufkleber kostenlos post“ entdecken. Und JA, ich bin überzeugt davon, dass gewisse Suchergebnisse in der Tat organisch positioniert werden um gewisse Entwicklungen einzudämmen, zu fördern oder Meinungen zu bilden. Witziges Detail am Rande, welches zeigt wie „militant“ sich die Post gegen Verzichter rüstet: mit dem „Verzichtervernichter“, dem kostenlosen Schaber als Waffe gegen die Vermeidung von Postwurfsendungen.

Also wenn das kein System hat?

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Zum Autor: Ich bin kein Umwelt-Experte, kein Journalist, kein Umwelt-Aktivist oder dergleichen und kann mich nicht mit einem Titel in Ökologie oder Ökonomie behaupten. Dieser Artikel beruht rein auf relativ einfachem Hausverstand, dem Rechercherieren im Internet und meiner persönlichen Meinung. Sollte die Zahlen, Daten, Fakten-Lage nachweislich eine andere sein, so entschuldige ich mich gleich vorweg für etwaige Unwissenheit. Daher haben Sie die Möglichkeit, in den Kommentaren zu diesem Artikel Ihre Meinung und Ihr Wissen darüber zu formulieren.

2 thoughts on “Thema: Postwurfsendung in Österreich – wieviel macht Sinn und ab wann ist es zu viel? Stichwort: #postkastlmist

  1. Ich kenne mich da leider viel zu wenig aus um mir eine eigene Meinung zu erlauben. Aber grundsätzlich klingt das vernünftig, die Werbeflut einzudämmen.

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